RAAW Deep Dive: Das Toolbox Konzept des Madonna V3

Vor ein paar Wochen haben wir das Madonna V3 vorgestellt und es gab jede Menge Informationen zu verarbeiten. Kein Wunder, schließlich ist das V3 unser bisher größter Sprung im Vergleich zum Vorgänger. Wir haben hunderte kleine Details verbessert und so das potenteste, einstellbarste und haltbarste Bike geschaffen, das wir je gebaut haben. Das Feedback, das wir von euch erhalten haben, war fantastisch, hat uns aber auch dazu veranlasst, einige der neuen Features in einer Deep Dive-Serie etwas näher zu beleuchten.

Zum Auftakt der Serie werfen wir heute einen genaueren Blick auf das Toolbox-Konzept und erklären euch auch, was es mit der UDH-Sitzstrebenoption auf sich hat. Das Madonna V3 wird immer mit allen Einstellungen in der mittleren Position ausgeliefert. Diese Einstellung ist unsere Empfehlung für die meisten Fahrer. Wer einfach “nur” ein richtig gutes Bike kaufen möchte, muss gar nicht mehr wissen. Für diejenigen aber, die gerne experimentieren, lernen und ihr persönliches Setup finden möchten, haben wir im Folgenden einige Gedanken zu den Einstelloptionen des Madonna V3 gesammelt.

Die Idee hinter dem Toolbox-Konzept ist, einen vielseitigen Rahmen anzubieten, bei dem man über verschiedene Feineinstellungen die wichtigsten Geometriewerte und Hinterbaueigenschaften beeinflussen kann. Auf diese Weise kannst du dein Bike ausgehend von der Grundeinstellung so anpassen, dass es besser zu deinen Vorlieben und den Anforderungen der Strecke passt.

Beim Madonna V3 kannst du Kettenstrebenlänge, Tretlagerhöhe, Hinterbauprogression und Lenkwinkel verstellen. Wenn du mit der Geometrie experimentieren möchtest, aber nicht genau weißt, wo du anfangen sollst, empfehle ich dir, Front (Lenkwinkel) und Heck (Kettenstrebenlänge) erstmal in der Grundeinstellung zu belassen, und stattdessen in der der Mitte des Bikes zu beginnen, indem du entweder die Tretlagerhöhe oder die Progression vom Hinterbau veränderst. Beides sind spannende Stellschrauben mit deutlich spürbaren Auswirkungen, die dein Bike aber nie aus dem Wohlfühlbereich bringen werden. Die Einstellung der Tretlagerhöhe macht sich stärker bemerkbar, doch auch eine veränderte Hinterbau-Progression kann ein echter Augenöffner sein.

Wir bieten verschiedene untere Dämpferaufnahmen an (übrigens die gleichen wie beim Yalla!), mit denen du die Tretlagerhöhe - ausgehend von der Basisgeometrie - um 3 mm nach oben oder unten verstellen kannst. Kleine Änderungen, die aber einen großen Einfluss auf den Gesamtcharakter des Bikes haben. Als wir Anfang 2023 im portugiesischen Sintra die ersten Back-to-Back-Testruns gemacht haben, bei denen wir immer nur eine Einstellung geändert haben, war ich überrascht, wie unterschiedlich sich das Madonna mit den verschiedenen Tretlagerhöhen fährt.

Mit dem Tretlager in der hohen Einstellung gewinnt das Bike an Lebendigkeit und lässt sich leichter manövrieren. Jedoch vermittelt diese Einstellung etwas weniger das Gefühl, integriert im Bike zu stehen, sondern eher das Gefühl, oben darauf zu stehen. Das niedrige Tretlager dagegen ist tief - und zwar sehr tief. Das Gefühl hat mich sofort ans Skifahren erinnert, weil ich das Bike viel mehr mit den Füßen statt nur mit den Händen lenken konnte. Stell dir einfach vor, dass deine Füße vorne unter dir sind und dich dorthin schieben, wo du hinwillst - wie beim Skifahren im Pulverschnee. Das niedrige Tretlager ist ein bisschen extrem, aber super interessant und toll für steile Abfahrten.

Die Progression vom Hinterbau kann ebenfalls über die gleichen modularen unteren Dämpferaufnahmen eingestellt werden. Möglich sind 3 % mehr oder 3% weniger Progression als die Standardeinstellung von 26 %. Sämtliche Einstellungen von Tretlagerhöhe und Progression können kombiniert werden. 

Mit der Progression des Hinterbaus veränderst du die dynamische Geometrie. Das klingt fancy, bedeutet aber im Grunde nur, dass sich deine Position im Federweg während der Fahrt bei gleicher SAG Einstellung ändert. Mit mehr Progression stehst du auch bei größeren Kompressionen höher im Federweg, bei weniger Progression federt der Hinterbau etwas mehr ein. Im Schnitt bist du also mit mehr Progression höher im Federweg unterwegs, und mit weniger Progression tiefer. Zu nerdig? Kein Grund zur Sorge - die Grundeinstellung ist genau richtig.

Das richtige Fahrwerks-Setup ist natürlich ein umfangreiches Thema - natürlich auch, weil der Rahmen nur ein Teil der Gleichung ist und auch die Dämpfereinstellung zum Hinterbau passen muss. Moderne Dämpfer bieten oft schon eine Menge Einstelloptionen, mit der einstellbaren Progression am Madonna V3 kommt - wenn du magst - noch eine weitere dazu. Entsprechend gibt es viele Möglichkeiten, das gesamte System zu optimieren. Meiner Meinung nach ist der Rahmen dabei aber immer die wichtigste Grundlage. Dämpfer können bis zu einem gewissen Grad eingestellt werden, aber ohne solides Fundament hilft auch der beste Dämpfer nur wenig. Die Progression eines Luftdämpfers kann mit Spacern verändert werden, aber meiner Meinung nach ist es immer besser, an der Basis - dem Rahmen - anzusetzen. Um dir den Setup so einfach wie möglich zu machen, bieten wir Anleitungen mit konkreten Werten für verschiedene Dämpfer an, die du als Grundlage verwenden kannst.  

Bei allen Rahmengrößen befindet sich die Hinterradachse bei der Auslieferung in der mittleren Position. Bei den Rahmengrößen S und M ergibt das eine Kettenstrebenlänge von 445 mm, bei L 450 mm und bei den Rahmengrößen XL und XXL 455 mm. Von dort aus kann die Kettenstrebenlänge mit separaten Kits für die Hinterradachse um 5 mm kürzer oder länger eingestellt werden. Auch die optional erhältliche Sitzstrebe mit UDH-Aufnahme verfügt über die grössenspezifischen Kettenstrebenlängen, kann aber nicht angepasst werden. Mehr zur UDH-Option findest Du weiter unten in diesem Artikel.

Habe keine Angst vor einem etwas längeren Hinterbau. Wir treffen oft auf Leute, die unseren langen Kettenstreben erstmal skeptisch gegenüberstehen. Doch dieser Ansatz ist wohlüberlegt: Er zielt auf eine perfekte Balance zwischen Vorder- und Hinterseite des Fahrrads ab. Dabei beeinträchtigen diese längeren Streben weder den Fahrspaß noch die Wendigkeit des Bikes. Zahlreiche Fahrer haben uns über die Jahre hinweg ihre positive Erfahrung bestätigt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein wenig mehr Länge am Heck jedem Fahrer zugutekommt. 

Das gerade Steuerrohr mit einem Durchmesser von 56 mm ermöglicht eine einfache Anpassung des Lenkwinkels mit Steuersätzen von Herstellern wie Works Components oder anderen Marken, die Steuersätze mit 56 mm Durchmesser und variablem Winkeln anbieten.  

Jedoch würde ich bei der Veränderung des Lenkwinkels zur Vorsicht raten. Ein Winkel von 64° ist nahezu ideal für ziemlich alles, was du mit dem Madonna vorhast. Ein noch geringerer Winkel reduziert den Grip am Vorderrad, während ein steilerer Winkel... nun, wer bevorzugt schon einen steileren Winkel? Spaß beiseite, eine Anpassung des Lenkwinkels stünde nicht an erster Stelle meiner Änderungsliste. Aber es ist möglich, und es gibt definitiv Strecken, Fahrer und Bedingungen, bei denen ein steilerer oder flacherer Lenkwinkel Vorteile bringen könnte.

Das Madonna V3 ist mit zwei Kettenstreben-Optionen verfügbar, die unterschiedliche Ausfallenden haben. Zum einen bieten wir unser RAAW-Achssystem an, das nicht nur die beiden Sitzstreben steif miteinander verbindet, sondern auch eine Anpassung der Kettenstrebenlänge ermöglicht. Zusätzlich bieten wir nun auch Sitzstreben an, die mit SRAM UDH-Schaltaugen bzw. Transmission Schaltwerken kompatibel sind und mit unserer UDH Steckachse funktionieren. Bei der UDH-Variante ist die Kettenstrebenlänge immer auf die mittlere Position für die jeweilige Rahmengröße eingestellt. Beim Konfigurieren deines Madonna V3 kannst du dich für eine dieser beiden Optionen entscheiden.

In einer idealen Welt gäbe es nur eine Sitzstrebe, aber aktuell arbeiten wir mit diesen zwei Varianten. Die RAAW-Sitzstreben erlauben eine Einstellung der Kettenstrebenlänge, was bei der UDH-Option nicht möglich ist. Je nach gewählter Sitzstrebe kommt entweder unsere UDH Rear Wheel Axle oder die standard RAAW Rear Wheel Axle zum Einsatz.

Wenn du nicht vorhast, einen SRAM Transmission-Antrieb zu fahren, würde ich dir zu den RAAW-Sitzstreben raten. Wir bieten die UDH-Sitzstreben als Upgrade an, so dass du auch später noch umsteigen kannst.

Lange Zeit war ich persönlich skeptisch gegenüber Fahrrädern mit zu vielen Einstellungsmöglichkeiten. Es erschien mir, als würden die Hersteller die Verantwortung, ein gut funktionierendes Bike zu schaffen, auf den Fahrer übertragen, was zu mittelmäßigen Setups führen könnte. Jedoch habe ich erkannt, dass mit Feinanpassungen an persönliche Vorlieben, Gelände und Streckenbedingungen noch mehr Fahrperformance freigeschaltet werden kann - zumindest, solange die Ausgangsbasis stimmt. Daher haben wir das Yalla! und nun auch das Madonna V3 mit Toolbox Konzept entwickelt, aber auch viel Arbeit und all unsere Erfahrung in ihre Standard-Einstellungen fließen lassen. Diese Einstellungen empfehlen wir den meisten Fahrern, da sie unserer Meinung nach die beste Performance bieten. Darüber hinaus ermöglichen wir Feinabstimmungen für diejenigen, die sich näher mit der Materie beschäftigen wollen und ihr individuelles Setup optimieren möchten. Um das so einfach wie möglich zu gestalten, bieten wir in unserer umfangreichen Knowledge Base ausführliche Informationen zu den entsprechenden Themen. Natürlich stehen wir dir auch jederzeit für weitere Fragen zur Verfügung.

Text: Ruben Torenbeek