RAAW Deep Dive: Madonna V3 Laufradgrößen

Im ersten Deep Dive zum Madonna V3 haben wir einen genauen Blick auf das Toolbox-Konzept und die UDH-Sitzstreben geworfen. Heute soll es dagegen um die verschiedenen Laufradgrößen-Optionen des Madonna V3 gehen.

Vor ein paar Wochen haben wir das Madonna V3 vorgestellt und es gab jede Menge Informationen zu verarbeiten. Kein Wunder, schließlich ist das V3 unser bisher größter Sprung im Vergleich zum Vorgänger. Wir haben hunderte kleine Details verbessert und so das potenteste, einstellbarste und haltbarste Bike geschaffen, das wir je gebaut haben. Das Feedback, das wir von euch bekommen haben, war fantastisch, hat uns aber auch dazu veranlasst, einige der neuen Features in einer Deep Dive-Serie etwas näher zu beleuchten.

Vor dem Madonna V3 haben wir alle unsere Bikes ausschließlich für 29”-Laufräder ausgelegt. Jetzt bieten wir mit dem V3 erstmals auch die Möglichkeit an, ein Setup mit gemischten Laufradgrößen - 27.5” am Hinterrad und 29” vorne - zu fahren. Viele bezeichnen diese Kombination als Mullet - Business-Look an der Front, Party am Heck. Klingt erstmal nach dem perfekten Rezept, oder?

Ein anderer Hinterrad-Durchmesser mag eine kleine Änderung sein - allerdings eine in einem komplexen Gesamtsystem. Ein Bike besteht aus hunderten kleiner Details und die Größe der Laufräder ist nur eins davon. Alle diese Details müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein, um am Ende ein ausbalanciertes Gesamtpaket zu erhalten. Entsprechend ist es wichtig, dass ein Rahmen von Grund auf für die jeweilige Laufradgrößen-Kombination entwickelt wird. Würde man bei einem reinen 29”-Rahmen einfach nur ein kleineres Hinterrad montieren, ohne etwas am Rahmen zu verändern, würde sich das Fahrverhalten und der Charakter des Bikes grundlegend verändern.

Das Madonna V3 hat eine modulare untere Dämpferaufnahme. Wenn der Rahmen mit 29”-Laufrädern gefahren wird, kann sie genutzt werden, um Tretlagerhöhe und Hinterbauprogression einzustellen. Sie kann jedoch auch dafür verwendet werden, die Geometrie für einen Aufbau mit 27.5”-Hinterrad anzupassen.

Kleine Änderung, große Wirkung? So einfach ist es nicht...

Mit dem MX-Lower Shock Mount wird das Innenlager etwas angehoben, um das kleinere Hinterrad auszugleichen. So erhält man eine Geometrie, die dem 29”-Aufbau sehr nahe kommt. Die Lower Shock Mounts, mit denen man die Progression des Hinterbaus und die Tretlagerhöhe einstellen kann, sind nur für die Verwendung mit 29”-Laufrädern gedacht - wer sein Madonna V3 mit kleinem Hinterrad fahren will, muss also auf diese optionalen Feinjustierungen verzichten.

Um ehrlich zu sein, haben wir die Möglichkeit, das Madonna mit gemischten Laufrädern zu fahren, vor allem deswegen geschaffen, weil so viele von euch danach gefragt haben. Ich persönlich bin nach wie vor davon überzeugt, dass 29”-Laufräder am besten zum Madonna passen. Aber natürlich weiß ich auch, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt und jeder Fahrer eigene Präferenzen hat. Wir haben das Madonna V3 von Grund auf für beide Optionen gestaltet. Dennoch gibt es einige Punkte, die ich erklären möchte, und einige Erfahrungen, die ich hier teilen will.

Damit ein Rahmen mit zwei verschiedenen Hinterrad-Größen funktioniert, muss an den richtigen Stellen genug Platz vorhanden sein. Denn die unterschiedlichen Lower Shock Mounts ändern nicht nur die Geometrie des Bikes, sondern auch die Position des Dämpfers im Rahmen. Unabhängig vom gewählten Shock Mount dürfen natürlich weder Rahmen und Dämpfer noch die einzelnen Rahmenelemente miteinander kollidieren. Auch das Hinterrad muss über den gesamten Federweg hinweg genug Reifenfreiheit haben und alle kompatiblen Dämpfer an Rocker, Unterrohr, Sitzrohr und Kabeln vorbei passen.

Aber es gibt noch eine weitere Herausforderung: Auch die Fahrwerks-Kinematik muss für beide Laufradgrößen ausgelegt sein. Die veränderte Geometrie hat nämlich deutliche Auswirkungen auf das Verhalten des Hinterbaus. Das haben wir von Anfang an bei der Entwicklung berücksichtigt, damit man im Vergleich zum reinen 29”-Aufbau beim Mullet-Setup kaum Kompromisse beim Verhalten des Fahrwerks in Kauf nehmen muss.

Der Hinterbau der Vorgänger-Modelle hätte schlichtweg nicht den Platz für diese notwendigen Anpassungen gehabt, um Geometrie und Fahrwerk an das kleinere Hinterrad anzupassen, ohne Abstriche in der Performance in Kauf zu nehmen.

Ehrlich gesagt dachte ich, dass dieser Deep Dive deutlich kürzer werden würde. Doch das Thema Laufradgrößen ist umfangreich und wir haben bisher erst die Grundlagen behandelt. Noch spannender ist natürlich, warum es überhaupt beide Optionen gibt und wie sie sich im Vergleich zueinander fahren.

Mountainbikes wurden in den letzten 10 Jahren immer größer. Als Ergebnis haben wir heute viele sehr potente Bikes, die es uns erlauben, härter und schneller zu fahren und unsere Fähigkeiten weit über das hinaus zu verbessern, was vor einigen Jahren möglich war. Aber ein größeres Bike ist immer auch schwerer, länger und benötigt mehr Krafteinwirkung vom Fahrer. Anders formuliert: Moderne Bikes sind weniger verspielt als Bikes von vor 10 Jahren.

Aber stimmt das auch wirklich? Das Thema ist natürlich subjektiv, aber ich denke, dass vielen Leuten die Idee von gemischten Laufradgrößen gefällt, weil sie dem Trend der immer größeren Bikes ein Stück weit entgegensteht. Der Traum vieler ist, ein modernes, potentes Bike zu haben, das all die Fortschritte in Geometrie und Fahrwerk vereint, aber übers kleinere Hinterrad dennoch ein verspielteres Handling mitbringt. Ist es wirklich so einfach?

Jeder, der RAAW kennt, weiß, dass wir normalerweise keine Gelegenheit auslassen, darüber zu sprechen, wie wichtig ein ausgewogenes Bike ist. Und natürlich müssen diese verschiedenen, empfindlichen Gleichgewichte auch bei der Wahl der Laufradgrößen beachtet werden: Die Balance von Front und Heck, die Position der Bodenkontaktpunkte zu Tretlager und Lenker, und die Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad. Ein perfekt ausbalanciertes Bike ist der Schlüssel dafür, sich auch im anspruchsvollen Gelände sicher zu fühlen und es ordentlich stehen lassen zu können. 29”-Laufräder haben in dieser Hinsicht bisher immer hervorragend in unseren Bikes funktioniert, doch auch unsere Mullet-Option wird dieses Gleichgewicht natürlich nicht zerstören.

Im ersten Deep Dive ging es vor allem um die Anpassbarkeit von Geometrie und Fahrwerk des Madonna V3. Für mich fallen die beiden Laufradgrößen-Optionen eigentlich in eine ähnliche Kategorie. Es ist eine kleine Änderung, über die man das Bike noch mehr an seine persönlichen Vorlieben anpassen kann - nicht mehr, und nicht weniger. Ehrlich gesagt fällt der Unterschied geringer aus, als man meinen würde.

Wenn wir die beiden Setups - reiner 29er-Aufbau und gemischte Laufradgrößen - miteinander vergleichen, gibt es einige Unterschiede. Zum einen rollen 29er besser über Hindernisse. Mit kleinerem Hinterrad bleibt man in technischen Anstiegen etwas eher hängen und es ist etwas mehr Kraft notwendig, um über kleine Stufen und Hindernisse zu rollen.

Aber auch am Grip ändert sich etwas. Die größere Auflagefläche der 29”-Reifen kann einfach mehr Traktion generieren und das Hinterrad rutscht weniger und bricht später aus. Der Unterschied ist nicht groß, aber im direkten Vergleich durchaus spürbar.

Bis jetzt klingen die Unterschiede so, als wäre ein Setup mit zwei 29”-Laufrädern die bessere Wahl. Und - um ehrlich zu sein - für mich persönlich ist das auch der Fall. Allerdings verändert das kleinere Hinterrad natürlich auch das Handling des Bikes etwas. Durch die minimalen Änderungen in der Geometrie, das etwas geringere Gesamtgewicht und das leichtere Hinterrad lässt sich ein Mullet-Madonna ein Ticken leichter in Bewegung versetzen. Außerdem steht man etwas weniger im Bike integriert. Wer dieses Gefühl bevorzugt, ist mit zwei 29”-Laufrädern besser bedient. Insgesamt fällt der Unterschied im Handling aber eher gering aus - das kleine Hinterrad passt den Charakter des Madonna V3 leicht an, definiert ihn aber nicht völlig neu.

Der letzte Unterschied zwischen den beiden Hinterrad-Größen ist eher praktischer Natur: Das 27.5”-Hinterrad bietet logischerweise mehr Platz hinter dem Sattel, was besonders in steilen Abfahrten von Vorteil ist. Ich selbst hab lange Beine, die es mir erlauben eine 240mm OneUp Dropper Post zu fahren, aber diejenigen mit kürzeren Beinen profitieren vom zusätzlichen Platz.

Außerdem ist ein kleines Hinterrad auch schlichtweg stabiler. Wenn du im Steinfeld nicht unbedingt zu den sanftesten Fahrern gehörst und schon das ein oder andere Laufrad auf dem Gewissen hast, ist ein kleineres Hinterrad vielleicht genau das richtige für dich - einfach, weil es länger hält.

So, jetzt habe ich tatsächlich vier Seiten darüber geschrieben, welchen Unterschied 1.5” machen können. Und - um es zusammenzufassen - keinen großen.

Die Mullet-Option ist eine der vielen Anpassungsmöglichkeiten, die das Madonna V3 bietet, um es perfekt an eure Wünsche anzupassen. Ich würde immer dazu raten, zunächst mit einem reinen 29”-Setup zu starten. Die 29”-Laufräder haben sich über Jahre bewährt, passen am besten zum Konzept des Madonna und sind die Größe, für die das Madonna ursprünglich entwickelt wurde.

Aber auch wer lieber mit einem kleineren Hinterrad unterwegs sein möchte, wird eine Menge Freude am Madonna V3 haben.