September 2024
Vom Top-Ergebnis beim Weltcup zum gebrochenen Knie - Das härteste Rennen in der Schweiz
Der fünfte und vorletzte Weltcup der Saison führte uns in die wunderschöne Schweiz, genauer gesagt in das verschlafene Örtchen Fiesch. Meine Freundin Lotta war mit dabei, um mich bei diesem Rennen zu unterstützen und mir einige Aufgaben abzunehmen, damit ich mich voll und ganz auf das Rennen konzentrieren konnte. Auf dem Weg in die Schweiz legten wir einen Zwischenstopp in einem Gym in Karlsruhe ein, um einen letzten Trainingsreiz zu setzen und die Trainingswoche abzuschließen.
In Fiesch angekommen, schlugen wir unser Lager auf dem Campingplatz auf, wo wir uns gefühlt mit ganz Enduro-Deutschland zusammenfanden. Für mich hieß es dann, die Laufschuhe zu schnüren und die letzte Stage zu Fuß abzulaufen, um ein Gefühl für die Streckenbedingungen am Renntag zu bekommen. Schnell wurde klar, dass die letzte Stage extrem schnell sein würde, doch das große Meer aus Wurzeln und Steinen machte es schwierig, den Speed zu halten. Währenddessen hatte Lotta bereits das Abendessen vorbereitet, sodass ich am Abend noch reichlich Kohlenhydrate tanken konnte – denn eines war sicher: Am Trainingstag würde ich sie brauchen.
Der Trainingstag war grandios. Fünf abwechslungsreiche Stages warteten auf uns – von hochalpinen Abschnitten, wo mehr Steine als Erde zu sehen waren, über frisch gesteckte Loam-Parts bis hin zu Bikepark-Geballer auf der bekannten Downhill-Strecke in Bellwald. Die Aussicht vor Stage 1 war überwältigend: Der Aletschgletscher, und damit auch der höchste Startpunkt des Rennens, war ein wahres Naturwunder.
Das Training lief für mich insgesamt sehr gut. Ich fühlte mich auf den Strecken wohl und wusste nach dem Training: Das könnte ein richtig geiler Renntag werden. Am Abend kam dann die Nachricht, dass das Rennen aufgrund einer Unwetterwarnung verschoben wird, was für uns zwei zusätzliche Ruhetage bedeutete. Da mein Madonna V3 nach dem Training super lief, musste ich nicht viel tun, außer die Rennlaufräder zu montieren und alles zu checken. Am Tag vor dem Rennen fuhren wir nochmal eine kleine Vorbelastung im Bikepark Bellwald – Partylaps, quer stehende Bikes in der Luft und jede Menge Spaß ließen die Motivation nochmals in die Höhe schießen.
Nach einem guten Abendessen und dem letzten Blick auf die GoPro-Aufnahmen vor dem Schlafengehen fühlte ich mich wirklich bereit für den großen Tag.
Am Renntag standen über 5000 Tiefenmeter auf dem Plan, von denen wir über 1700 selbst erklimmen mussten. Meine Taktik war es, konstant viele Kohlenhydrate nachzuladen, weshalb ich schon im Lift vor der ersten Stage zwei Gels zu mir nahm.
Stage 1 und 2 liefen für mich okay. Stage 1 hatte einige super harte Gegenanstiege, und dann verklemmte sich auch noch der Seilzug meiner Sattelstütze, weshalb ich zwei Drittel der Stage mit hochgestelltem Sattel fahren musste. Stage 2 war von oben bis unten mit Steinen übersät – hier wollte man definitiv nicht stürzen. Ein sicherer Lauf brachte mich in die Top 30, und ich wusste, dass ich ab jetzt richtig pushen konnte.
Stage 3 lief dann richtig gut. Trotz eines kleinen Fehlers landete ich auf Platz 23 und kam als 25. in die Techzone, wo Lotta auf mich wartete. Nach einem schnellen Wrap, aufgefülltem Trinkvorrat, geölter Kette und überprüftem Reifendruck ging es weiter.
Vor uns lag der längste Anstieg des Tages, der sowohl Schieben als auch Tragen erforderte. Das war bei der Hitze extrem anstrengend, aber mein Ernährungsplan ging auf und ich hatte oben an Stage 4 immer noch richtig Power.
Stage 4 war ein echtes Brett – die längste Stage mit über 7 Kilometern. Ich hatte einfach einen Lauf, traf fast jede Kurve so, wie ich es wollte, und als ich nach etwa der Hälfte meinen Vordermann einholte, wusste ich, dass das ein zügiger Run war. Dass diese Stage mit Platz 12 meine beste des Jahres sein würde, realisierte ich erst später.
Den Schwung aus Stage 4 wollte ich mitnehmen, aber auf Stage 5 wurde ich dann durch einen Sturz gestoppt. Mein Vorderrad wurde von einem Stein aus der Spur geworfen, und ich stürzte hart. Sofort merkte ich, dass mit meinem Knie etwas nicht stimmte. Doch ich wollte das, was mir an diesem Tag so viel Freude bereitet hatte, nicht mit einem DNF beenden und kämpfte mich irgendwie ins Ziel. Dort erlebte ich ein Wechselbad der Gefühle: Das Rennen auf Platz 21 zu beenden, mit nur 2,5 Sekunden Rückstand auf die Top 20 der Welt, war ein riesiger Erfolg. Doch gleichzeitig war da die Enttäuschung, so knapp an den Top 20 vorbeigeschrammt zu sein und eine mögliche Knieverletzung erlitten zu haben.
Am Ende stellte sich heraus, dass ich die letzte Stage mit einer gebrochenen Kniescheibe zu Ende gefahren bin. Doch es hat sich gelohnt, denn Platz 21 war mein bestes Ergebnis bei allen bisherigen Weltcups. Leider bedeutet dieser Bruch auch, dass ich den letzten Weltcup und die Weltmeisterschaft verpassen werde. Ein paar Tage nach dem Rennen bin ich einfach nur dankbar, dass bei dem Sturz nicht mehr passiert ist, auch wenn es mich hart von der Strecke geworfen hat. Trotz allem war das Zusammenspiel zwischen meinem Madonna V3 und allen Rennen dieser Saison überragend, und ich kann es kaum erwarten, wieder auf meinem Bike zu sitzen. Ein riesiges Dankeschön geht an alle bei RAAW, die diese Weltcup-Saison möglich gemacht haben.
Text: Joni Heitmann
Fotos: Boris Beyer