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RAAW Privateer Profiles: Nuno Reis

RAAW Privateer Profiles: Nuno Reis

Dieses Jahr haben wir unser Privateer Programm ins Leben gerufen. In diesem Rahmen unterstützen wir unkompliziert Fahrer, die als Einzelkämpfer im Downhill-Worldcup angreifen. Es überhaupt bis zur Startlinie eines dieser Rennen zu schaffen ist eine Leistung für sich und wenn wir einigen Fahrern dabei helfen können, sind wir natürlich voll und ganz dabei.

Am Ende haben wir sieben verschiedene Fahrer ausgewählt, die aus unterschiedlichen Teilen der Welt kommen und jeweils eine ganz eigene Geschichte zu erzählen haben. Im Laufe der Saison werden wir euch sie alle vorstellen, um mehr über sie, ihre Bikes, ihre Herkunft zu erfahren und wie das alles ihren Werdegang zum Racing auf höchsten Niveau beeinflusst.

Den Anfang machen wir mit Nuno Reis aus Portugal.

Portugal ist ein Land, zu dem einige von RAAW eine enge Verbindung haben. Julian, unser Grafikdesigner, lebt in Lissabon. Andere aus dem Team reisen häufig dorthin, um die andere Lebensweise zu erleben und dabei zuzusehen, wie die Wellen dort einfach etwas langsamer auf die Küste treffen als hier in Deutschland.

Nuno stammt aus Sesimbra, einer kleinen Fischerstadt südlich von Lissabon und ist von Kindes an auf dem Mountainbike unterwegs. Oft folgt in einer Familie das jüngere Kind den Fußstapfen des älteren und so war es auch bei Nuno: Sein Bruder fuhr erst Dirtbikes. Als er dann auf Mountainbikes umstieg, folgte Nuno ihm und trat bald auch schon bei ersten Events an. Da es keine Downhill- oder Enduro-Rennen gab, bei denen man als 8 jähriger starten durfte, entschied er sich, seinen Fokus zunächst auf Cross Country Rennen zu legen. Rückblickend betrachtet brachte ihm das nicht nur früh wertvolle Rennerfahrung ein, sondern bildete auch eine hervorragende Fitnessbasis, von der er auch heute beim Downhillfahren noch immens profitiert.

Seitdem konnte Nuno eine bemerkenswerte Anzahl von Erfolgen nicht nur bei nationalen Rennen, sondern auch auf europäischer Ebene verbuchen. Er gewann zweimal die IXS Rookies International Championship, gewann jede Runde und holte den Gesamtsieg beim IXS European Cup in der Pro Under 17-Kategorie und beendete dann sein erstes Junioren-Jahr bei den World Cups 2020 auf dem 3. Gesamtplatz.

Natürlich erfordert Racing auf diesem Level nicht nur maximalen Fokus, sondern auch einen immensen Zeiteinsatz. Wirft man dann noch das Highschool-Leben in den Mix, steht man vor einem schier unlösbaren Balance-Akt, bei dem die Gefahr groß ist, sich zu verzetteln. Zum Glück hat Nuno nicht nur Downhill-Talent, sondern auch einen klaren Kopf und erkannte rechtzeitig, dass seine schulischen Leistungen durch die vielen rennbedingten Pausen und den Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie litten.

In dieser Zeit passte der Rennkalender der EWS besser zu seinen schulischen Verpflichtungen und mit seiner Erfahrung im Enduro-Rennen entschied er sich, ein wenig umzuschalten. Zu einem erfolgreichen Enduro-Rennen gehört mehr, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Einfach das Downhill-Geschoss gegen die Enduro-Maschine tauschen funktioniert nicht. Auch Nuno musste feststellen, dass die Anpassung seines Fahrstils herausfordernder war, als zunächst erwartet. Aber Rennen für Rennen machte Nuno Fortschritte und erreichte sogar einige Top-15-Platzierungen auf einzelnen Stages der EWS.

Aber Downhill blieb dennoch seine erste Liebe und sobald er alle seine Prüfungen abgeschlossen und bestanden hatte, fing er sofort wieder mit Downhill-Rennen an. Sein Start in Lourdes hatte sich Anfang 2022 als ziemliche Herausforderung erwiesen. Die Fahrer kämpften um die knappe Trainingszeit auf dem anspruchsvollen Kurs, und mit insgesamt nur drei Trainingsruns vor der Qualifikation schaffte es Nuno leider nicht, bei seinem ersten Elite-World-Cup fürs Rennen zu qualifizieren.

Befreit vom Prüfungsdruck und motivierter denn je gelang ihm dann in Val die Sole sein Wiedereinsteig in den Downhillsport. Trotz seiner Auszeit wurde er sofort wieder in der Racing-Familie aufgenommen. Er selbst beschreibt das Wochenende einfach nur als “verdammt spaßig” - vielleicht war dieser Spaß auch der Katalysator für seine beeindruckende Rückkehr zum Rennsport.

Zugegeben braucht er etwas Zeit, um seinen Rhythmus und Speed auf dem super ruppigen Kurs zu finden. Doch mit jeder Abfahrt fühlte er sich besser und besser und überraschte sich selbst mit einem 46. Platz in der Qualifikation, obwohl er sich eigentlich noch nicht so schnell fühlte.

Selbstvertrauen aufzubauen ist wie das Errichten eines Jenga-Turms. Es braucht viel Geschick, um die Blöcke zum Bau des Turms aufeinander zu balancieren, und die kleinste Erschütterung kann den ganzen Turm zum Einsturz bringen. Am Morgen des Rennens brachte Nunos erster Trainingsrun den fragilen Turm fast zu Fall, als er durch einen Fahrfehler sein Hinterrad zerstörte. Doch der World Cup-Zirkus steckt voller netter Menschen und mit etwas Hilfe von einem Mechaniker eines anderen Teams war er wieder flott und bereit zum Rennen.

Gerne beschreibt Nuno das Rauschen des Adrenalins und die Gänsehaut am Start, während im Hintergrund der Jubel unzähliger Fans zu hören ist. Es war sein erstes Elite-Finale und er war absolut begeistert, dabei zu sein. Nuno traf all seine Linien, auch wenn es an einigen Stellen ein wenig wild wurde. Aber das ist nur ein Zeichen dafür, dass ein Fahrer wirklich alles gibt. Ein 26. Platz im zweiten Anlauf bei einem World Cup ist überaus beeindruckend. Und dazu noch eine Top-10-Platzierung bei der Mercedes Benz Key Section als Sahnehäubchen - Wahnsinn!

Inzwischen studiert Nuno. Racing ist zwar die Top-Priorität in seinem Leben, aber dennoch ist ihm eine gute Ausbildung wichtig. Der Zeitplan an der Uni ist im Vergleich zur Schule ist aber deutlich flexibler und ermöglicht es ihm, sich voll und ganz auf das Downhill-Racing und die komplette Worldcup-Saison zu konzentrieren, ohne viel vom Studium zu verpassen.

Zu diesem Zeitpunkt des Jahres hat er bereits vier Runden des Portugal Cup hinter sich und eine Testsession mit Fox in Lousa. Wie ihr seht, nutzt er die Zeit bis zum späten Start der Wordcup-Saison optimal.

Inzwischen hat Nuno natürlich schon eine Menge Zeit auf dem Yalla! verbracht, doch er erinnert sich noch gut an die ersten Abfahrten und wie wohl er sich direkt auf dem neuen Bike gefühlt hat. Auf den meisten Strecken fährt er das Bike mit den verschiedenen Anpassungsoptionen in der mittleren Stellung, so wie es standardmäßig ausgeliefert wird. Wenn Fahrer ein neues Bike immer besser kennenlernen und im Verlauf der Saison immer schneller damit unterwegs sind, ändern sich als Konsequenz meist die Ansprüche an die Fahrwerksabstimmung. Das ist beim Worldcup-Pro genauso der Fall wie bei Hobbyfahrern. Ist das Fahrwerk zu Beginn der Saison noch eher soft abgestimmt, wird es schrittweise immer straffer eingestellt. Das ist auch der Grund, dass sich die erste Fahrt in einem neuen Jahr immer so seltsam anfühlt, wenn man mit dem straffen Fahrwerks-Setup vom vorherigen Saisonende unterwegs ist.

Nuno hat für sich - auch dank der Unterstützung von Fox - schnell ein gutes Grundsetup für sein Fahrwerk gefunden. Es heißt ja immer, dass die ersten 80% nur 20% der Arbeit brauchen und die letzten 20% dann 80% des Aufwands verursachen. Doch davon hat sich Nuno nicht abschrecken lassen und kontinuierlich daran gearbeitet, auch noch diese letzten 20% zu optimieren. Als er schneller wurde, wollte er mehr Support vom Hinterbau und hat viel mit den Druckstufen-Einstellungen seines Dämpfers experimentiert, um das gewünschte Support-Level zu erzielen, ohne an Sensibilität zu verlieren. Zusammen mit Fox hat er in Lousa dann genau das erreicht: Ein sensibler Hinterbau, der mehr Support bietet und die Balance mit der Gabel über den gesamten Federweg aufrechterhält.

Sesimbra, Nunos Heimatstadt, liegt auf der Südseite einer Gebirgskette. Im Sommer wird es hier richtig heiß, was das Gelände felsig, hart, rutschig und anspruchsvoll zu fahren macht - ganz besonders, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Trotzdem liebt Nunos die Trails vor seiner Haustüre am meisten, besonders wenn er sie mit seinem Bruder und seinen Freunden teilt. Sie suchen sich immer die steilsten und schwierigsten Linien aus, die auch für sie manchmal fast unfahrbar sind. Doch Nuno liebt genau diese Herausforderung und das Gefühl, auch mal von einer Sektion gedemütigt zu werden.

Für Trails wie diese ist ein Bike mit viel Traktion von entscheidender Bedeutung. Grip ist ein seltenes Gut und die schmalen, anspruchsvollen Trails lassen wenig Spielraum für verpasste Linien. Bei jedem Bremsvorgang muss das Bike alles also geben, um auch das letzte bisschen Grip aus dem Boden herauszukitzeln. Entsprechend fährt Nuno sein Yalla! auf den Hometrails im Vergleich zu den Worldcup-Strecken mit weniger Druckstufendämpfung und einer langsamer eingestellten Zugstufe. “Bei den Rennen sind die Strecken einfach viel breiter und man hat mehr Grip - selbst auf den Strecken, wo sich alle über den rutschigen Untergrund beschweren”, beschreibt Nuno die Unterschiede. Deswegen, und auch wegen der höheren Geschwindigkeiten, bevorzugt er im Renneinsatz mehr Druckstufendämpfung und eine schnellere Zugstufe.

In Sachen Rahmengeometrie ist Nuno dagegen daheim und auf den Rennen bisher mit den gleichen Einstellungen unterwegs. Jetzt, wo das Grundsetup steht, will er aber mehr mit den verschiedenen Einstelloptionen experimentieren, um die Geometrie und das Fahrwerk zu verändern. Die Möglichkeit, das Yalla! exakt auf die jeweiligen Strecken abstimmen zu können, ist für ihn ein großer Pluspunkt. Zunächst will er verschiedene Kettenstrebenlängen testen, um den Radstand und die Balance zwischen Vorder- und Hinterrad zu verändern. Auch die unterschiedlichen Progessionseinstellungen für den Hinterbau warten auf erste Testfahrten, mit denen er herausfinden will, wie sich die Änderung auf seine Position im Bike und die Sensibilität des Fahrwerks auswirken.

Jetzt, wo die Worldcup Saison (endlich!) mit großen Schritten näher rückt, freut sich Nuno besonders auf die Abfahrten in den Bergen von Frankreich, Österreich und Italien, die mit beeindruckenden Landschaften und begeisterten Fans glänzen. Aber auch die Rennen in den USA und in Kanada erwartet er mit Spannung - es ist das erste Mal, dass er dort antritt, ein großes Abenteuer! Genau diese Vorfreude und Aufregung konnte er in der Vergangenheit bereits in gute Platzierungen umwandeln, wir sind also mehr als gespannt!

Wir sind überglücklich, Nuno und die restlichen Fahrer des Privateer Programms zu unterstützen. Von Anfang an stach seine Bewerbung durch Professionalität und Leidenschaft hervor, was es uns schwer machte, Nein zu sagen, obwohl wir eigentlich schon genug andere Fahrer ausgewählt hatten. Nuno hat bereits nach kurzer Zeit gezeigt, dass er nicht nur auf den Rennen, sondern auch hinter den Kulissen bei der Vorbereitung und beim Training wirklich alles gibt. Genauso hat er bewiesen, dass er ein feines Gespür für sein Bike hat und intuitiv weiß, mit welchen Einstellungen man noch mehr Performance herauskitzeln kann. Wir können es kaum erwarten zu sehen, was Nuno und sein Yalla! dieses Jahr alles erreichen werden.

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