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Fort William World Cup Recap

Fort William World Cup Recap

Das Worldcup-Rennen in Fort William ist berühmt-berüchtigt und bietet jedesmal eine tolle Show, ganz gleich wie die Bedingungen sind. Für unser Team war es ein Heimrennen, also gingen wir mit etwas mehr Druck an den Start als irgendwo sonst. Wir haben viel gelernt, viel gelacht und ein paar der bisher besten Ergebnisse erzielt. Hier unser Race-Report vom ereignisreichen Wochenende.

Die schottischen Highlands sind ein Juwel im Norden des vereinigten Königreichs. Direkt nach Glasgow lässt man das Stadtleben hinter sich und gelangt in einige der wildesten Landschaften der Insel. Der Glencoe-Pass fühlt sich an wie das Tor zu einem anderen Land. Es ist schon ein paar Jahre her, dass der Worldcup-Zirkus halt in Fort William gemacht hat und entsprechend groß war die Vorfreude bei allen Mitgliedern des 555 RAAW Gravity Racing-Teams.

Vielleicht hat sich aber auch ein Hauch Nervosität in diese Vorfreude gemischt. Fort William ist für das gesamte Team irgendwie eine Art Heimspiel, auch wenn einige Teammitglieder mit der gleichen Anfahrtszeit auch bis nach Österreich kommen würden. Also ist der Heimvorteil vielleicht doch nicht so groß wie man denken könnte, auch wenn es das Heimatland ist.

Mit diesen Gedanken im Kopf begannen wir rund zwei Wochen vor dem Worldcup die einwöchige Test- und Trainingssession auf der berühmten Abfahrt. Der Plan war, in Ruhe einige neue Dinge am Bike auszuprobieren und das Setup auf die Strecke anzupassen. Dabei wollten wir den Fahrern ausreichend Zeit geben, sich auf der anspruchsvollen Strecke wohlzufühlen bis dann am Ende der Woche die Britische Nationalmeisterschaft anstand.

Mit dem Wetter ist das in UK immer so eine Sache, aber die Fahrer ließen sich weder vom anhaltenden Nieselregen noch von den Mückenschwärmen beeindrucken und spulten einen Trainingslauf nach dem anderen ab, während wir parallel an den Fahrwerk-Setups feilten. Viele andere Teams und Fahrer hatten die gleiche Idee und so glich die Startliste der Meisterschaft einer Art Mini-Worldcup. Trotz des starken Fahrerfeldes und der reichlich zerballerten Strecke konnte das Team einige großartige Ergebnisse einfahren. Die haben nicht nur für das so wichtige Selbstvertrauen gesorgt, sondern auch die Vorfreude und Motivation für den Worldcup nochmal richtig angeheizt.

Als wir dann, gefühlt nur einen Wimpernschlag später, wieder zur Nevis Range zurückkehren, erwartete uns dort eine völlig andere Atmosphäre. Es gibt einfach nichts, dass sich mit einem Worldcup vergleichen lässt und insbesondere Fort William ist bekannt für die dortigen Fans, die nicht nur durch ihre schiere Anzahl beeindrucken sondern auch durch die ganze besondere Energie, die sie in die Pits und auf die Strecke bringen. Selbst bei den Trainingsruns war die Abfahrt gesäumt von Fans, die darauf warteten einen Blick auf ihre Lieblingsfahrer zu erhaschen.

Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass Downhill bei RAAW eigentlich unsere erste Liebe ist. Entsprechend sollte es auch keinen überraschen, dass wir uns im Verlauf der Entwicklungsphase mehr als nur einmal vorgestellt haben, wie es wäre, irgendwann mal eines unserer Bikes im Worldcup Livestream beobachten zu können. Das DH-Projekt war damals noch in einer frühen Phase, und haben wir diesen Gedanke immer in die “ganz vielleicht irgendwann mal”-Schublade gesteckt und uns weiter auf die Entwicklung des Bikes konzentriert. Doch Träume sind gut. Manchmal können sie als Wegweiser dienen und dabei helfen, einem Ziel Stück für Stück näher zu kommen. Noch ahnten wir jedenfalls nicht, was auf uns zukommen würde.

Auch beim Team herrschte in dieser Woche eine andere Stimmung als bei unserer Trainings-Session zuvor: Alle fühlen sich bestens vorbereitet und jeder einzelne ging mit maximalem Fokus an die Arbeit - schließlich ist ein Wordcup Rennen doch nochmal was anderes als eine nationale Meisterschaft. Schon nach den ersten Trainingsläufen war der Speed hoch. Die Bikes verschmolzen mit Strecke und Fahrern und ermöglichten es ihnen, sich voll und ganz auf ihre Linien zu konzentrieren und sich die neuen Streckenabschnitte einzuprägen.

Wenn man nicht zu den geschützten Fahrern zählt, unterscheidet sich ein Quali-Run kaum vom richtigen Finallauf - es geht um alles! Wer hier nicht perfekt abliefert, hat keine Chance und bei so wenig Finalplätzen ist es schon eine Leistung, sich überhaupt zu qualifizieren. Douglas präsentierte sich in seinem Quali-Lauf in Topform und lang weit innerhalb der Top 10, nur um dann beim Motorway-Abschnitt am Ende der Strecke durch eine rote Flagge gestoppt zu werden.

Natürlich haben wir ihn beruhigt und zurück zum Lift gebracht, damit er seinen Run wiederholen kann. Allerdings hatte er im ersten Versuch alles gegeben und war also völlig erschöpft. Trotzdem gelang es ihm, sich vor dem Start nochmal zu sammeln, so dass er schon wenig später mit vollem Fokus wieder im Starthäuschen stand. Und beeindruckender weise gab er bei seinem zweiten Run noch mehr Gas, attackierte einige Sektionen so hart wie nie zuvor und war stellenweise sogar schneller unterwegs als bei seinem ersten Lauf. Dock Glück ist etwas, dass man nicht kontrollieren kann, und so fing er sich auf halber Strecke einen Platten ein, der ihm die Geschwindigkeit raubte, die vor allem auf der unteren Hälfte der Abfahrt so wichtig ist. Am Ende fehlten trotzdem nur 2 Sekunden für eine erfolgreiche Qualifikation. Zum Glück ist Douglas noch jung und hat noch jede Menge Chancen vor sich. Er hat diesen Rückschlag jedenfalls besser weggesteckt, als ich es hätte. Enttäuscht war er natürlich trotzdem, doch er wusste, dass er bei allem, auf das er direkt Einfluss hatte, sein Bestes gegeben hat und dass er ohne Platten auf jeden Fall im Finale gewesen wäre. Ich habe kein Zweifel, dass er mit dem gleichen Einsatz, der gleichen Energie, dem gleichen Fokus und dem gleichen Prozess ganz oben auf der Liste der Schnellsten stehen wird.

Mit Pech ist das immer so eine Sache. Meist kommt es nicht nur ungelegen, sondern schlägt auch noch an den unerwartetsten Orten zu, wie unsere KJ leider herausfinden musste. Während des Trainings war noch alles gut und sie hatte sichtlich Spaß daran, die verschiedenen Streckenabschnitte zu knacken und sich mit jeder Abfahrt näher an ihr Limit zu wagen. Doch dann knickte sie bei einem Trackwalk nach dem Training um und verdrehte sich den Knöchel, der nur wenig später auf das doppelte seiner normalen Größe anschwoll und in allen Farben des Regenbogens schimmerte. Keine Chance, so einen Quali-Lauf zu absolvieren. Ihrer berühmten Quirligkeit tat das nur bedingt Abbruch und so bekam sie für den Rest des Wochenendes den Spitznamen “Hop Along” verpasst, während sie dem Team wertvollen Support lieferte und für gute Stimmung sorgte.

Von allen unseren Fahrern lastet auf Ryan vermutlich der größte Druck. Als Schotte war das Rennen für ihn ein echtes Heimspiel und die ein oder andere Flagge mit seinem Namen fand sich am Streckenrand. Dazu war es noch sein erster Elite-Worldcup überhaupt, nachdem er Lourdes verletzungsbedingt leider aussetzen musste. Zum Glück ist er trotz seiner jungen Jahre sehr stressresistent: Muffensausen Fehlanzeige, auch beim wohl wichtigsten Quali-Lauf seiner Rennkarriere. Den spulte er mit maximaler Konzentration und vollem Fokus ab - es war einfach der finale Schritt nach all der Vorbereitung. Und zwar ein erfolgreicher: Platz 43. und damit der sichere Einzug in Finale am Sonntag. Viele Kämpfen jahrelang hart dafür, sich für so ein Rennen zu qualifizieren, Ryan hat es direkt beim ersten Versuch geschafft!

Luke, der schon etwas vertrauter mit dem ganzen Worldcup-Zirkus ist, hat vom ersten Tag an richtig Gas gegeben. Auch wenn er es an jedem Rennwochenende schafft, seinen Camper innerhalb kürzester Zeit ins Chaos versinken zu lassen, geht er das Rennenfahren selbst so gewissenhaft an wie man es sich nur vorstellen kann. Kaum ein anderer war so lange am Berg um jeden Zentimeter der Strecke zu studieren. Auch vor seinem Quali-Lauf strahlte er eine konzentrierte Ruhe aus, nur um dann wenige Augenblicke förmlich aus dem Starthäuschen heraus zu explodieren und sich im Angriffsmodus in die wilde Abfahrt zu stürzen. Am Ende Platz 16 für Luke in der Qualifikation - wir konnten es kaum fassen!

Und schon war unser zaghafter, kleiner Traum wahr geworden: Es würde ein RAAW im Livestream beim Downhill-Worldcup zu sehen sein! Noch nie gab es in unserem internen Chat so viele begeisterte Nachrichten und wahrscheinlich war ihr Inhalt auch noch nie für Außenstehende so unverständlich. Wir waren alle völlig aus dem Häuschen und konnten kaum glauben, was da gerade passiert war!

Nachdem unsere beiden Elite-Jungs im Finale standen, haben wir natürlich direkt mit den weiteren Vorbereitungen für den Finaltag begonnen. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen der Erleichterung und Freude, dass man sich qualifiziert hat und dem Fokus darauf, einen Tag später nochmal alles zu geben.

Das Wetter am Sonntag war Wild. Mehr Regen, mehr Wind und eine von den unzähligen Runs zerwühlte Strecke. Vor allem in den frisch angelegten Abschnitten, die weniger felsig waren als der Rest der Strecke, sah es wüst aus. Für Ryan, der wie immer voller Ruhe und mit maximaler Konzentration an den Start ging, reichte es am Ende für einen 51. Platz. Wir sind unheimlich stolz auf dich, Ryan, und auf das, was du bei deinem ersten Worldcup in der Elite-Klasse erreicht hast! Eine mehr als solide Grundlage für den Rest der Saison!

Als die Top30-Fahrer an der Reihe waren, war der Zielbereich mehr als überfüllt - die Stimmung ähnelte einem Rockkonzert. Auch in Sachen Lärmpegel: Egal welcher Fahrer ins Ziel kam, die Crowd war ohrenbetäubend laut und bei einheimischen Fahrern bebte jedesmal förmlich die Erde. Auch als Luke, im Starthäuschen stehend, auf der großen Leinwand auftauchte, brach die Menge in Jubel aus. Und genau wie das Wetter war dann auch sein Lauf wild: Er gab sichtlich alles, um die tückische Strecke zu bewältigen. Mit Fuß raus und Vollgas beendete er das Rennen am Ende mit einem atemberaubenden Platz 23.

Inzwischen haben wir das Replay von Lukes Run wahrscheinlich 100-Mal gesehen, aber so richtig glauben können wir es noch immer nicht. Wir alle sind als Downhill-Fans groß geworden, haben sämtliche Rennberichte im Dirt-Magazin gelesen und bei jedem Worldcup-Livestream vom Sofa aus mitgefiebert. Und jetzt war in genau einem dieser Live-Streams eins unserer Bikes zu sehen, wie es an jubelnden Fans am Streckenrand vorbeischnellt, während wir - die vielleicht größten Fans von allen, unsere Arme in die Luft warfen und schrien, bis wir fast keine Stimme mehr hatten.

Das erfolgreiche Rennen in Fort William ist für uns ein wahrgewordener Traum. Und während wir noch immer damit beschäftigt sind, die Eindrücke vom Wochenende zu verarbeiten, sind wir gleichzeitig auch mehr als heiß auf die nächste Runde in den österreichischen Alpen. Denn spätestens jetzt wissen wir, dass wir das Team, das Bike und den Willen haben, mit den besten der Welt ganz vorne mitzufahren. Lange lebe der Downhill-Sport!

Fotos: Ross Bell

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