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Lenzerheide World Cup Recap

Lenzerheide World Cup Recap

Die Mitte der Saison kann eine seltsame Phase sein. Die Pause nach Leogang hatte uns erlaubt, mal kurz zum normalen Leben zurückzukehren, ehe der nächste Rennblock losging. So eine Auszeit gibt einem die Chance, durchzuatmen und sich von den Höhen und Tiefen des Racings zu erholen. Allerdings läuft man auch immer Gefahr, ein bisschen zu lange zu relaxen und dadurch den Fokus zu verlieren, den Racing erfordert. Es braucht Entschlossenheit und Motivation, damit man nicht runterfällt, wenn sich der Zug der Rennmaschinerie wieder in Bewegung setzt.

Außerdem befand sich unser Team in einer ungewohnten Situation. Ryans Crash in Leogang hatte ihn eine Weile aus dem Rennleben ausgeklinkt, deshalb würde er in Lenzerheide nicht an den Start gehen können. Auch Lukes Gehirnerschütterung vom Training in Champéry brauchte einige Zeit zum Heilen. Wir verfolgten alle mit angehaltenem Atem seine Fortschritte und waren wahnsinnig froh, als er eines Tages zurück aufs Bike stieg und einige Trainings-Runs machte, ehe es in die Schweiz ging. Aber die grausame Geliebte Glück schlug noch mal zu: Bei einem Sturz renkte Luke sich die Schulter aus. Keine Chance, dass er rechtzeitig für Lenzerheide fit sein würde.

Wir waren also ein kleineres Team für die vierte Runde des Worldcups. Aber wir hielten die Stellung und hatten das Ziel fest im Blick, obwohl uns unsere gefallenen Team-Buddys natürlich fehlten. KJ und Douglas standen in den Startlöchern und freuten sich drauf, endlich mal wieder kurze Hosen statt Regenmontur tragen zu können. Douglas hatte sich sogar schon fesche T-Shirt-Bräune zugelegt von seiner Woche Biken in Morzine. Dadurch hatte Mark – Team-Manager, Dad und persönlicher Mechaniker – die ehrenvolle und wahnsinnig dankbare Aufgabe, das gesamte Bike durchzuchecken und herauszufinden, wie viel von Morzine Douglas als Souvenir mit nach Hause gebracht hatte. Stellt sich raus: die gedichtete Drehpunkte am Rahmen sind eine sinnvolle Erfindung, um den Schlamm da zu halten, wo er hingehört – nämlich auf dem Trail. Auch der Rest des Bikes war in Topzustand und im Handumdrehen bereit fürs Training.

Lenzerheide stand in der Vergangenheit unter heftiger Kritik und viele Fahrer haben sich öffentlich darüber geäußert, dass sie die Strecke nicht mögen. Es gibt Hausaufgaben, die wir vor jedem Rennen erledigen: Wir schauen alte Aufzeichnungen von Rennen an, werten das Material von Head-Cams aus, gehen innerlich kritische Sektionen durch und entscheiden, welches Bike-Setup am besten funktionieren könnte. Außerdem unterhalten wir uns mit anderen Fahrern über ihre Erfahrungen mit der Strecke. Aber das Lenzerheide, an dem wir diesmal ankamen, hielt so einige Überraschungen bereit.

Neue Streckenabschnitte sind immer gern gesehen, und Lenzerheide hatte diesmal beachtlich große neue Sektionen zu bieten. Und wir reden hier von Stellen im Wald, die noch nie ein Reifen berührt hat! Es war interessant zu beobachten, wie einige Fahrer fast schon zu viel Zeit damit verbrachten, jeden Millimeter dieser neuen Abschnitte zu analysieren – obwohl wir alle wussten, dass wir es mit einer ganz anderen Hausnummer zu tun haben würden, sobald erst mal ein paar Hundert Fahrer drübergeheizt wären. Dementsprechend war das Abgehen der Strecke eher ein strategisches Taktieren. Wir haben uns allerdings darüber gefreut, zwischendurch unaufällige Änderungen in der Absteckung der Streckenführung zu sehen, wodurch einige Passagen, die eher seltsam geworden wären, sich in etwas verwandelten, das man viel leichter mit Flow durchheizen konnte.

Die andere große Änderung: Es war brütend heiß. Zumindest sobald die Sonne es mal über die malerischen Schweizer Gipfel geschafft hatte, die unseren kleinen Bergort umgaben.

Nach kurzer Anfangspanik und liebevollen Arschtritten, um sie über die größten Drops der Strecke drüberzukriegen, lief das Training gut für KJ . Es ist unglaublich leicht, sich vom Anblick mancher Features einschüchtern zu lassen – und wenn man dann über sie hinwegfliegt, fragt man sich, warum man eigentlich so einen Aufriss drum gemacht hat. Einfach gesagt. Aber einfach gesagt ist nun mal nicht einfach getan.

Douglas hielt es für seine persönliche Aufgabe, eine besonders teure Trainingssession abzuhalten, und demolierte drei Kettenblätter, zwei O-Chains und zwei Ketten am selben rock gap. Nachdem er genug Zerstörung angerichtet hatte, wechselte er seine Taktik, legte noch mal einen drauf in Sachen Tempo und klügelte die neuen Abschnitte aus.

Im A-Training gingen wir alle zusammen noch mal die Passagen durch und nahmen ab jetzt auch die Zeit. Damit wollten wir noch mehr Erkenntnisse erlangen und die Lines perfektionieren, die unser Team auf den neuen, sich permanent ändernden Streckenabschnitten anpeilte. Auch die bereits etablierten älteren Passagen konnten wir dadurch gezielter analysieren.

Gefühlt 10 Sekunden später war es auch schon Zeit für die Qualifizierungen. Am Morgen ist es in Lenzerheide immer noch sehr kalt. Der Ort liegt vergleichsweise hoch in den Bergen und zu Beginn des Tages waren es so um die 3 °C, bevor die Sonne die Nase über die Berge streckte und alles aufwärmte. Heißt konkret: Reifen, Dämpfer und die eigenen Körper machten bei zunehmenden Temperaturen den ein oder anderen drastischen Wandel durch. Deshalb mussten wir permanent auf dem Schirm haben, wie sich das Bike erwärmte und wie sich der Druck in Reifen, Federgabel und Dämpfer graduell veränderte, damit wir ihn bei Bedarf anpassen konnten.

Douglas ging bei den Qualis als Erster an den Start, lieferte einen guten Run und landete auf Platz 15. Er legt immer ein bisschen langsamer los und wird dann sukzessive schneller, je länger das Rennen geht – wir arbeiten dran. Trotz einem größeren Patzer in der neuen Steilhangsektion war der 15. Platz ein großartiges Ergebnis, mit dem er sich definitiv für die Teilnahme am großen Rennen des Folgetags qualifiziert hatte.

KJ war eine Stunde später dran und setzte alles dran, wieder auf ihr altes Level zurückzufinden. Nachdem viele ihrer Qualis in dieser Saison von Stürzen und Patzern geprägt waren, wollte sie diesmal einfach einen soliden, aber vor allem sauberen Run unter Zeitdruck hinbekommen. Und genau das hat sie gemacht! Letztendlich war sie 36 Sekunden davon entfernt, sich zu qualifizieren – so nah war sie noch nie dran. Klar, sich nicht zu qualifizieren werden manche sicher negativ abstempeln. Aber ihr Run war voller guter Ansätze, auf denen man in kommenden Rennen perfekt aufbauen kann.

KJs Erfahrung mit dem Worldcup war bisher eher die Geschichte eines mentalen Kampfs – etwas, das der Wettbewerbszirkus der Sports nicht unbedingt ehrt und auf dem Schirm hat, aber dennoch eben auch etwas, dem sich jeder einzelne Fahrer stellen muss. Und erst durch die Tiefs, die uns auf dem Weg begegnen, bekommen wir das Handwerkszeug und die Fähigkeiten mit, um uns aus den Tälern herauszukämpfen und zu ganz neuen Höhen aufzusteigen. Die Woche war für KJ besonders hart, weil sich der Todestags ihres Vaters jährte und ihr das natürlich ständig im Kopf herumging. Einen sauberen Run abzuliefern und ohne Pannen und Patzer am Ziel anzukommen war ihr erster Schritt, um wieder zu dem Selbstvertrauen zurückzufinden, das man genießt, wenn man genauso fährt, wie man es will. Manchmal ist das einfachste, das Bike der Schwerkraft zu übergeben und den Berg runterzufahren – die kniffligen Parts liegen woanders.

An Renntagen müssen die Männer der Junior-Kategorie immer einen auf „früher Vogel“ machen, weil es für sie als Erstes los geht. Mal wieder hatte Douglas also all unsere schönen Ausschlafpläne durchkreuzt und wir fanden uns am See wieder, wo wir das Bike für den Practice-Run vorm Rennen fit machten, während Douglas sich aufwärmte. Es war nur eine ganz kurze Übungseinheit, bevor er an den Start ging, aber die kurze Zeit hatte gereicht, um die Temperaturen ordenlicht in die Höhe zu treiben. Ein Glück hatten wir den perfekten Fleck mit Blick übers Tal gefunden, um ein wenig vor uns hinzubrutzeln und das Treiben zu beobachten.

Douglas ist verdammt motiviert, wenn es um Rennen geht, und hatte sich vorgenommen, den Run in unter 3 Minuten zu schaffen. Schließlich würde ihn das wahrscheinlich in den Top 10 platzieren – und das ist eines seiner erklärten Ziele. Das Signal ertönte, er schoss geradewegs aus dem Tor und in die erste loose Linkskurve. Als Renningenieur ist das oft das Einzige, was man vom Run eines Fahrers sehen kann. Also klebten wir alle an der Website mit den Live-Zeiten fest, schauten angespannt jeder Sekunde beim Vorbeiticken zu und warteten auf das Zwischenergebnis, während wir im Lift nach unten zur Ziellinie gondelten. Douglas hatte es geschafft, 6,5 Sekunden schneller zu sein als bei der Qualifizierung. Damit lag er bei 3,05 Minuten und landete auf einem wohlverdienten 14. Platz. Die Top 10 kommen langsam, aber sicher immer näher – und jedes Mal, wenn er sie verfehlt, scheint Douglas’ Entschlossenheit und Motivation nur noch zu steigen.

Die Junior-Rider kommen als Erstes dran und sind dementsprechend auch als Erstes fertig. Viel Zeit zum Abhängen blieb uns allerdings nicht, denn die nächste Etappe startete nur einige Tage später, mehr als 1.000 km entfernt in Andorra. Also schauten wir uns nur den Rest des Rennens an und packten unseren Kram.

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